The grass is always greener on the other side – oder: Was müssen Steuerberater ihren Mitarbeitern bieten?

Fachkräftemangel in der Steuerberatung

Mitarbeiterfluktuation – davon können dieser Tage die meisten Kanzleileiter ein Lied singen. Teammitglieder kündigen und hinterlassen Lücken, die lange Zeit nicht geschlossen werden können. Nie war der Fachkräftemangel in der Steuerberatung so stark spürbar. Steuerfachangestellte etwa sind gefragt wie nie und können sich ihre Jobs quasi aussuchen. Beinahe täglich erfahren wir von Steuerberaterkollegen, die kompetente Teammitglieder an andere Kanzleien verlieren. Immer häufiger werden Mitarbeiter, vor allem jene mit Digitalisierungs-Know-how, sogar von Berufskollegen aktiv abgeworben. Beispielsweise auf Veranstaltungen, über soziale Netzwerke oder ganz einfach per Anruf. Eine Taktik, die nicht nur berufsrechtlich fragwürdig ist.

Häufig werden wir bei unserer Arbeit gefragt, wie man der hohen Fluktuationsrate beikommen kann oder wie sich im Falle einer Kündigung die Lücke schnell schließen lässt. Klar, vom Imagevideo bis hin zum Recruiting durch Headhunter gibt es zahlreiche Möglichkeiten der Mitarbeitergewinnung. Vorübergehend mag das helfen. Die eigentliche Ursache dieser hohen Fluktuation aber liegt viel tiefer.

The grass is always greener on the other side

Dahinter steckt nämlich ein grundlegendes Problem. Ein Problem, das sich, das ist zumindest unsere Auffassung, in den letzten Jahren mehr und mehr verschärft. „The grass is always greener on the other side.“ Dieser Satz beschreibt es ziemlich treffend. Mitarbeiter scheinen vermehrt latent unzufrieden an ihrem Arbeitsplatz zu sein. Latent deshalb, weil auf den ersten Blick doch alles stimmt: Die Arbeitszeiten, das Team, die Aufgaben und auch die Bezahlung. Trotzdem scheint es Angestellten in anderen Kanzleien noch einen Tick besser zu gehen. Warum? Das konkret zu verbalisieren, fällt oft schwer. Vielmehr ist es ein diffuses Gefühl. Aus diesem Zustand heraus beginnt die suche nach neuen Herausforderungen unter vermeintlich besseren Bedingungen: bei anderen Kanzleien, auf Jobportalen, LinkedIn und XING.

Und dort stoßen eben jene Mitarbeiter auf die scheinbare Erfüllung all ihrer Träume. Da wird in Anzeigen geworben mit flexiblen Arbeitszeiten, Home Office – wenn’s sein muss, gerne jeden Tag – der Tischtennisplatte auf dem Flur und dem Bioobstkorb in der Küche.

Die Ernüchterung folgt oft

Angesichts dieser augenscheinlich paradiesischen Zustände, die dort herrschen müssen, fällt es leicht, eine Bewerbung abzuschicken. Angekommen im neuen Job, lässt die Ernüchterung nicht lange auf sich warten. Auch dort gibt es Arbeit, die erledigt werden will. Arbeit, die sich so gar nicht von der in der alten Kanzlei unterscheidet. Die vielleicht sogar schwerer fällt, weil die Rahmenbedingungen sich verändert haben. Schließlich muss nebenbei noch die Eingliederung ins neue, schon lange eingeschworene Team stattfinden. Und tägliches Home Office? Erlaubt zwar der Chef, macht aus diesem Team leider niemand, entsprechend gering ist die Akzeptanz. Auch das mit den flexiblen Arbeitszeiten klang auf dem Papier irgendwie besser, wenn der Mandant eben nur morgens um halb neun Zeit hat.

Soziale Netzwerke befeuern Vergleichsmentalität

Und so schwinden die Erwartungen. Der Aufprall auf dem Boden der Realität ist umso härter. War in der alten Kanzlei nicht doch alles, zumindest aber vieles, besser? Wer Glück hat und sich traut, bekommt noch eine zweite Chance. Das ist aber eher die Ausnahme.

Was wir damit sagen wollen: Diese Vergleichsmentalität, die insbesondere durch soziale Netzwerke noch befeuert wird, nimmt dieser Tage gerade in der Steuerberatungsbranche Auswüchse an, die für Arbeitgeber nicht wünschenswert sind. Klar, sie bieten Chancen der Mitarbeitergewinnung – auf kaum eine Weise lässt es sich so unkonventionell Einblicke ins Kanzleileben geben und bekommen. Dem gegenüber steht immer das Verlustrisiko.

Fokus auf Mitarbeiter: Sensibilisierung und Vertrauen

Doch zurück zum Anfang. Kurzfristige Lösungen, die auf die Schnelle eine Lücke im Team schließen, sind teuer und eben nicht nachhaltig. Die bereits vorhandenen Mitarbeiter müssen viel mehr in den Fokus rücken. Sensibilisierung und Verantwortung sind zwei Aspekte. Sensibilisierung für die meist sowieso schon hervorragenden Arbeitsbedingungen. Und wenn es eben gelegentliches Home Office sein muss, hilft oft das Gespräch mit dem Kanzleileiter. Außerdem essenziell: Verantwortung, die an den Mitarbeiter übertragen wird, um dessen Rolle in der Kanzlei zu stärken. Das könnte etwa durch gezielte Weiterbildungsmaßnahmen geschehen. Mitarbeiter sind eben das wichtigste Asset einer Kanzlei. Dessen müssen und wollen sie sich bewusst sein. Denn wenn die Arbeit erfüllend und sinnstiftend ist, wird das eigene Gras auch wieder grüner.